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Chice Jacke

"Ui, schigge Jagge" empfängt mich Emanuel, drei Jahre jung, der vor seinen Geschwistern oben an der

Treppe auf mich wartet, um mir als nächstes dann den Weihnachtsbaum zu zeigen.

 

Nun handelt es sich bei "schigge Jagge" durchaus nicht um eines der neuen asiatischen Gerichte, die

gerade in sind, sondern schlicht und einfach um die Jacke, die ich trage.  Und was mich eigentlich umhaut, ist die Tatsache, dass das Kompliment vom Dreijährigen kommt..

 

Der Zehnjährige und der Zwölfjährige könnten am nächsten Tag nicht sagen,ob ich mit einem Leintuch behängt auf ihrer Treppe gestanden hätte.

 

Man macht sich dann so seine Gedanken. Es war doch Emanuel, der im Sommer nur die neuen

chicen Schuhe (es waren die sommer-üblichen Clogs, und bei ihm hiessen sie damals noch "sssiggi

ssüeli") oder die "cuuuhlen hösli" oder das "schpezielle ti-shöt" anziehen wollte? Was wird  wohl aus ihm

eines Tages werden? Modeschöpfer, gleichgeschlechtlich? Heute gehört das ja offenbar zusammen.

Nun gut, im Prinzip wäre das auch o.k., für die Urenkel, die ich ja gerne erleben würde, wären dann

halt nur seine Brüder zuständig.

 

Mal sehen: da wäre Patrik, der im Moment voll auf der Hip-Hop-Welle mitreitet. Hosen, die in den

Kniekehlen hängen, übergrosse T-Shirts, Gürtelschnallen und Ketten mit viel Bling und die unvermeidliche

Baseball-Cap natürlich auf viertel nach neun, Skate-Board unter'm Arm.  Hauptsache glücklich, findet die Grossmutter, die selbst auch ein Faible für Bling hat (da darf's dann aber schon echt sein, bitte).

Mutter glaubt eher an T-Shirts in entsprechender Kinder-Grösse, aber Grossmutter sieht ein, dass Shirts

bis mindestens auf die Oberschenkel hängen müssen  Das tun sie bei ihr auch manchmal (da allerdings

aus figürlichen Gründen). Und Grossmutter findet es auch lustig, dem Enkel zu Weihnachten eine

schwarze Unterhose zu schenken, auf der hinten "Ladykiller" aufgedruckt ist.

 

Was den Zehnjährigen über alle Massen freut, hat er doch soeben das andere Geschlecht entdeckt und schwärmt für Blondinen. Für eine ganz besonders und nach Aussage seiner Mutter ist sie wirklich

eine Herzige. Na also, den gutern Geschmack hat das Kind auch von der Grossmutter geerbt! Was ihm

nicht so gut gefällt, ist, dass seine blonden Locken soeben der Schere zum Opfer fielen - aber das ist

eine Geschichte für sich, und sie wachsen ja auch wieder.

 

Auch da macht man sich Gedanken. Von den drei Enkelsöhnen wird Patrik ganz sicher der sein, der

später öfter mal fragt "Duuuu, Mamiiii, hast du mir bis zum nächsten Ersten noch einen Fuffi?" Und er wird auch der sein, der als erster eine Zigarette probiert, einen Wodka, man nehme... Und man hofft, dass er später einmal lernen wird, dass das Universum nicht nur aus Patrik besteht...

 

Sondern zum Beispiel auch aus Joshua, unserem "Grossen". Er hat so erwachsen ausgesehen an Weihnachten, mit Hemd und Krawatte, und gerade war er doch noch unser Baby. Unser erstes. Ganz etwas Besonderes. Heute kann ich ihn fragen, wenn ich mit dem Kreuzworträtsel nicht weiterkomme oder ein technischen Problem habe. Joshua zieht zu den Hip-Hop-Klamotten seines Bruders nur die Augenbrauen hoch. Er ist der Seriöse, der sich nie irgendwelchen Rauschmitteln noch irgendwelchen

Klamotten-Konstruktionen hingeben wird, ein "vernünftiges" Kind also. Abgesehen davon, dass er seinen mittleren Bruder nie in Ruhe lassen kann. Immer muss noch irgendwo gezwickt oder geknufft werden -

und obwohl alle drei nun so "erwachsen" sind, ist der schöne Satz "Mami, dä (wechselweise einzusetzen:

Joshua oder Patrik) hätt..." immer noch Haupt-Thema.

 

Und wissen sie was? Gestern habe ich es zum ersten Mal von Emanuel gehört "Mamiiii, dä Joshu hätt mich gschüpft und dä Patrikhätt nööd ufpasst..."

 

Na also, wenn ich mir nun noch vorstelle, was in der nächsten Zeit alles kommen wird, dann ist die

"schigge Jagge" doch wirklich ein Riesen-Kompliment, oder?

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