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Das zweite Mal

Erste Male haben ja etwas Magisches. Neuland wird entdeckt, der Überraschungseffekt spielt und man ist sich gewiss, dass man diesen Moment nie mehr erleben wird.

 

Zweite Male hingegen sind da schon weniger spannend. Man weiss ja schon in etwa, was auf einen zukommt. Man kann sich vorbereiten auf das, was da kommen mag. Strategien werden geplant, Abläufe definiert. Bereits bei zweiten Mal startet das „bäh“-Wort aller Mütter: die Routine.

 

Zweite Male sind langweilig. Müsste man zumindest meinen, weil man ja eben schon weiss, was passieren wird. Nun ist es aber so, dass wir ja den schönsten Beruf der Welt ausüben: Mutter sein.

 

Und wen überrascht es da schon, wenn es gar keine zweiten Male für uns gibt?
Oder wollen Sie ernsthaft behaupten, Sie hätten wirklich schon einmal eine Situation absolut identisch erlebt? Ist es nicht eher so, dass sie meistens dann, wenn Sie dachten, alles laufe nach Schema F, am meisten überrascht worden sind? Weil dann urplötzlich eines Ihrer Kinder etwas getan hat, das  Sie so nicht erwartet haben? Weil dann alles doch ganz anders lief? Weil Ihr Mann urplötzlich alles auf den Kopf gestellt hat? Oder weil das Leben eben manchmal doch ganz anders spielt?

 

Sehen Sie – mir geht es eben auch so: es gibt eigentlich nur erste Male in meinem Leben. Und diese, das habe ich ja bereits in einer anderen Kolumne beschrieben, liebe ich einfach!  Ich habe also ein Leben prall voll mit ersten Malen und könnte mir kaum positiveres vorstellen. Und die zweiten Male, die es nicht gibt und doch irgendwie gibt, die betrachte ich je nach Laune dann einfach als erste Male.

 

Verwirrend? Na, dann lassen Sie es mich an einem Beispiel erklären:

Das erste Mal, als Sie das Zimmer Ihres Kindes betraten, nachdem es alleine 1 Stunde darin war, hatten Sie noch das volle Schockerlebnis. Sie haben sich gefragt, wie ein so kleiner Mensch in so kurzer Zeit so viele Dinge aus den Schränken und Kisten zerren konnte und gleichzeitig auch noch die Wände vollschmieren und den Teppich losreissen. Dann haben Sie versucht, das positive an der Sache zu finden und Ihrem Mann abends stolz berichtet, dass Ihr kleiner Liebling ein richtiger „Entdecker“ sei und sein Hirn heute intensiv stimuliert worden sei.

Das zweite Mal, als Sie das Zimmer Ihres Kindes betreten wollten, stellten Sie sich schon mal auf das Schlimmste ein. Und siehe da, obwohl Ihr süsser Schatz ganz alleine dort drin war, ist alles in Ordnung. Nur die Legos liegen herum, und das darf ja auch so sein. Obwohl Sie erneutes Chaos erwartet hatten, ist eigentlich alles in Ordnung. Damit wäre das dann das erste Mal geworden – das erste Mal, dass Ihr Kind alleine so toll gespielt hat.

Der guten Ordnung halber muss ich natürlich noch auf das x-te Mal hinweisen. Das wäre dann, wenn Sie die Türe öffnen und ihr mittlerweile halbwüchsiges Kind inmitten von Chaos vermuten. Wenn das Zimmer stattdessen tiptop aufgeräumt ist und ihr Kind unschuldig mit einem Buch auf dem Bett herum lümmelt, dann ist höchste Alarmstufe angesagt!!! Denn hier erwartet Sie nun definitiv ein erstes Mal, das Sie eigentlich noch gar nicht haben wollten – der Rest sei Ihrer Phantasie überlassen…

 

Ich hoffe, dass ich Ihnen anhand dieses Beispiels ein wenig besser aufzeigen konnte, weshalb es gar keine zweiten Male gibt und das Leben aus lauter ersten Malen besteht. Falls Sie aber doch denken, dass es durchaus zweite Male gibt, dann melden Sie sich doch ungeniert bei uns – wir sind gespannt, mehr darüber zu erfahren.

 

Ich verabschiede mich, zum ersten Mal nach diesem Text und wünsche alles Gute!

 

Ihre

 

Anna

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