Der ganz normale Wahnsinn
"mami, kannst du mich um halb vier in den park fahren?" – "mami, wo sind meine kurzen hosen?" – "welche?" – "mami-mami-mami-mamiiiii..."- "mami, und kannst du mich auch um sechs wieder abholen?" – "die braunen!" – telefon – "nimmt mal jemand das telefon ab???!!!" – mami-mami-mami-mamiiii..." – "da, wo du sie hingetan hast!" – "emanuel, hör doch mal auf!" - "und mami, können wir morgen das geschenk für sandra kaufen? und für ihre mutter brauche ich auch noch was!" –"joshua, hol mal die badehosen für emanuel rein! ja, das können wir. vielleicht sind sie in der wäsche." – "und was gibt es heute zum z'nacht?" – "oder dürfen wir in die mall?" – "mami- mami-mai-mamiiiiiiiii!" – "jaaaa, emanuel, was ist denn? – "ähhh, oooh – ich hab dich lieb..."
ferienzeit. zeit der ruhe und erholung! habe ich das wirklich grade geschrieben? das war wohl das, was ich mir erhofft hatte und es gehört in das kapitel "irrtümer des lebens". dabei hatte alles so friedlich angefangen. natürlich musste es wieder florida sein. jedes jahr finden wir neue gründe, warum es unbedingt so sein muss: damit die kinder ihr schul-englisch ausprobieren können. weil garantiert immer schönes wetter ist (stimmt gar nicht, mindestens einmal pro tag regnet es - und weil man ja nie genau weiss, ob das nun vormittags oder nachmittags sein wird, ist es auch schwierig, aktivitäten zu planen. sofern man diese überhaupt plant, denn genaugenommen gehen nur masochisten im hochsommer nach florida, in die subtropen, in denen es dann so schön heiss und feucht ist). weil anna dort am morgen immer joggen kann und weil sie ja keiner kennt, der sehen könnte, dass sie nicht top-trainiert ist. weil der dollar ja grade sooo günstig ist, und die schweiz ja sooo teuer! weil wir so eine art heimweh entwickeln.
weil wir sehen wollen, was sich so alles geändert hat – zum beispiel in der neugegründeten uni-versitäts-stadt "ave maria" (wie cool ist das denn, wenn auf dem schild der stadt steht "est. 2007" –ich meine, wo werden heute schon noch städte gegründet und dann einfach so in den sumpf gebaut? und überhaupt, weil wir sonst auch gar nicht wissen, wo wir hinwollen. und nicht etwa, weil mutter und grossmutter dort sooo schön shoppen können, den kopf schon voller ideen, was sie unbedingt (nicht) brauchen (so dass zum schluss auch emanuel schon an einem stand mit hosen vorbeiläuft und entzückt ausruft "die muss ich ungedingt haben!!!" – sie auch bekommen soll, aber als sie ihm zu klein ist, ist ihm das auch egal).
friedlich angefangen hatte es eigentlich nur, weil emanuel als einziger der drei buben schon von anfang an mitreisen konnte, die beiden anderen mussten noch in die schule und sie sollten mit dem papi nachkommen.
er gab sich nach einer wider erwarten ruhigen reise und nach ankunft recht zimperlich: nein, in den pool ginge ER nicht rein, vielleicht, wenn dann die brüder da wären, aber vermutlich auch dann nicht, weil "eintlich wollte er gar nicht in die ferien". noch nicht einmal die in aussicht gestellten punkte, die er bei der spielgruppen-freundin ("die hat mir verliebt") ziemlich sicher damit sammeln könnte, waren ein anreiz – und so was zog bisher immer.
wir mussten tatsächlich warten, bis die brüder kamen – und mit ihnen ging er sofort ins wasser. liess sich schwimmweste und schwimmflügel anziehen und paddelte drauf los, bis ihm fast schwimmhäute zwischen den zehen wuchsen. dass der papi auch da war, stimmte in froh, und uns auch, denn kaum waren die drei wieder zusammen, gingen die üblichen streitereien wieder los.
nur mit dem unterschied, dass diese im vorigen jahr noch zwischen joshua und patrik (an denen nun heftig die pubertät nagt) stattfand, und dass in diesem jahr auch emanuel schon kräftig mitmischte. früher hiess es immer "mami, de joshua hätt..." und jetzt heisst es "mami, de joshua und de patrik händ...". das macht die sache nur komplizierter. und was ich vorher noch als herziges "pieps-pieps" empfunden hatte, wurde nun zu einem ausgewachsenen "ich-auch" – und er hätte, wie ich feststellen konnte, jegliches talent zu einem diktator in einem mittelamerikanischen land – vorausgesetzt er verbessert seine entsprechenden sprachkenntnisse noch...
das grösste problem war: wer schläft wo? drei schlafzimmer und einen riesigen "game-room" mit zusätzlichem bett hatten wir zur verfügung – aber der begehrteste schlafplatz war der neben mami im bett. diktator-in-entwicklung sah das natürlich auch schnell und pochte auf sein recht als jüngstes familienmitglied – und dagegen half praktisch kein argument.
patrik probierte es noch mit "kopfweh", aber auch nur, bis er merkte, dass er dann in ein zimmer verfachtet wurde, wo er sich "allein und in ruhe" erholen konnte.
als zweite option gab es das schlafzimmer der grossmutter (also meins) und das war riesig, und es hatte ein ebenso riesiges bett. während emanuel abends triumphierend zu mami zog, probierten joshua und patrik aus, wie es so war, neben der grossmutter zu schlafen. respektive, diese probierte aus, neben ihren enkeln zu schlafen, - denn während joshua ein ruhiger schläfer ist, ist patrik ein kind, das immer zappelt. ausserdem hat er die unangenehme angewohnheit, sich in das leintuch zu wickeln, so dass die danebenliegende (also ich) schauen konnte, wo ich blieb. nach einer dauerhaften lösung sah das nicht aus.
als variante bot sich eine riesige aufblasbare matratze an, von der wir uns vorstellten, dass sie den kindern so eine art camping-feeling geben könnte und die man in dem grossen raum gut unterbringen konnte, ohne dass sie diesen wesentlich kleiner machte. ausserdem gab es in diesem raum auch noch einen fernseher – und da wurden nach studium des fernseh-programmes hoffnungen wach. jeden abend gab es diskussionen, wer auf der matratze schlafen sollte. sie war nur bequem, wenn "der andere" drauf schlafen sollte, man selbst bekam nacken-verspannungen, rückenweh und die seltsamsten gebrechen. aber da es hier für die grossmutter ganz klar um "schlafen können" oder "nicht schlafen können" ging, ging der kampf meistens zu ungunsten von patrik aus, weil er die arme grossmutter schliesslich mit seinen schlafgewohnheiten nervte (obwohl er ja zugegebenermassen nichts dazu konnte und das wohl auch nicht fair war, aber eben...). und die die beiden jungs dann einmal zum grölen brachte (erfreulicherweise aber erst am nächsten morgen), als sie im halbschlaf (oder einer milden form von schlafwandlerei) dem armen patrik anweisungen gab, schokolade aus dem kühlschrank zu holen, die sie essen wollte. sie nahm sie, schlief sofort wieder weiter und am nächsten morgen erzählten ihr zwei buben, die total fasziniert waren, dass sie auf der schokolade geschlafen hatte, dass man ihr die brille von der nase nehmen und das licht löschen musste... die amnesie-grossmutter konnte sich an nichts erinnern, was ihr für die restlichen wochen eine genauere beobachtung eintrug.
da sieht man einmal, wohin einen drei enkelkinder in den ferien treiben können!
als der papi dann da war, wurde das leben spannender, beide eltern konnten sich mehr um die einzelnen kinder kümmern oder auch schon mal eins zu hause "parken". zum beispiel den kleinen, wenn die grossen etwas erleben konnten, für das er noch zu klein war – obwohl er seiner meinung nach für gar nichts zu klein ist.
orlando mit seinen parks und den "bahnen" war auch in diesem jahr ein thema – und für mich waren ein paar tage alleinsein auch nicht "ohne".
eine freundin von anna verbrachte, zusammen mit einem freund und insgesamt 4 kindern(alle so im alter von unseren grossen), ein paar tage in naples und natürlich hat man sich getroffen und ging zusammen in den sümpfen kanu fahren und mit einem grösseren schiff delphine beobachten und an einem total unbewohnten traumhaften weissen sandstrand muscheln suchen. genauso natürlich hat sich grossmutter da auch ausgeklinkt – aber unser alptraum von 7 kindern unter einem dach wurde nicht wahr: sie alle verstanden sich grossartig. wobei man allerdings meistens nur einen den ton angeben hörte: emanuel.
alle drei brauchten neue kleider – aus denen vom vergangenen jahr waren sie rausgewachsen und nun weiss ja auch jedes kind, dass jeans in den usa viel billiger und sowieso auch viel chicer sind, schliesslich kommen sie ja von dort. nur: das kann ja nicht "jede" jeans sein. der grossmutter taten sich da ganz neue welten und markennamen auf, von denen sie noch nie gehört hatte. trotzdem bot sie patrik an, mit ihm auf die jagd nach den gewünschten produkten zu gehen – immer noch in erinnerung, wie sehr sie darunter gelitten hatte, wenn sie etwas anziehen musste, dass ihr nicht gefiel (und das war damals eigentlich fast alles). manche schäden sitzen tief.
die suche gestaltete sich nicht einfach, aber nach freundlicher nachfrage im x-ten laden wussten wir immerhin, wohin wir fahren mussten. was machte es schon, dass wir stundenlang unterwegs waren – hauptsache, das kind war glücklich. vorübergehend war es das auch, aber dann waren die neuen kleider (die dann ab sofort natürlich ausschliesslich noch getragen wurden) alltag und bald auch schon wieder mit den allseits bekannten tomatensaucen-flecken verziert...
joshua machte es uns da (fast) einfacher. er hat nicht einen so exaltierten geschmack wie sein bruder, aber auch bei ihm gibt es sachen, die "gar nicht gehen". wobei sich noch nicht einmal immer genau erkennen lässt, woran das genau liegt. ein punkt im druckmuster eines t-shirts am falschen ort kann schon der auslöser sein. man braucht auf jeden fall nerven und zeit, um zwei junge männer in der vorpubertät einzukleidem...
und auch, um neue kleider für einen dreijährigen zu organisieren. er, von dem ich heute immer noch glaube, dass er vielleicht einmal die modebranche bereichern wird (er ist nach wie vor der einzige, der mir sagt "wow, schöne bluse hast du an" oder aber auch "die hose ist nicht schön"), weiss auch für sich ganz genau, was er will. alles, auf dem spiderman aufgedruckt ist – sponge-bob geht auch noch.
und vor allen dingen, socken. er ist, glaube ich, das einzige kind, das in florida laut ausruft "juhui, socken anlegen" wenn er für den besuch im disney-world feste schuhe anziehen soll. er zieht sich überhaupt gerne an – während andere kinder sich ja gerne ausziehen. für die karriere im urwald wäre das ja schon einmal ganz gut... und für die im mode-business auch. er hat also varianten.
zuzuschauen, wie die grossen brüder sich um den kleinen kümmerten, war schon eine erfahrung für sich. nicht immer ganz freiwillig, natürlich, aber besonders patrik kann ganz gut mit ihm spielen – und trotzdem ist es schon so, dass drei kinder (und eins davon in einem total anderen alter) beschäftigt sein wollen.
patrik wollte biken, weil es doch in florida so tolle bike-bahnen gibt (gibt es wirklich!) und so bekam er sein vorgezogenes geburtstags-geschenk, das jetzt auf dem weg in die schweiz ist: ein bmx-velo. weil doch der tony hawks (...nie gehört vorher...) seinen ersten weltrekord auch in naples auf eben diesen tollen bahnen gefahren ist. jedenfalls hat unser rekord-versucher seine sache ganz gut gemacht und als erinnerung daran bleiben ihm viele schöne fotos.
joshua wollte "golf probieren" – und siehe da, es gefiel ihm. er will nun hier weitermachen und ich glaube auch, dass das die richtige art sport für ihn ist.
emanuel testete die spielplätze – was in florida nicht ganz einfach ist, denn wenn es nicht die heisse sonne oder platzregen ist, die einem die freude vermiesen, dann sind es die mücken oder die winzigkleinen "no-seems", die überall in der luft unterwegs sind.
blieb also der pool als buchstäbliche "quelle der freude" für alle. besonders beliebt war "nacht-baden", wahrscheinlich, weil man das auch nicht jeden abend durfte (die armen nachbarn...!). da konnte man so richtig schön auffahren und im dunkeln sah man ja auch nicht so genau, wenn der eine bruder den anderen mal knuffte oder ihm sonst etwas zuliebe tat. darin, sich rumzudrehen und mit unschuldigstem gesicht zu sagen "ich war es nicht!" sind beide schliesslich weltmeister und auch emanuel übt schon ganz erfolgreich.
zu emanuel, im pool um aufmerksam krähend, sagte seine mutter "jetzt hör doch mal auf, du brüllst wie ein baby", worauf er sich zur wehr setzte "ich will gar nicht brüllen wie ein baby, ich wollte so schreien wie der papi..." – tja, was will man da sagen? ausser, dass sein papi eigentlich selten laut wird.
sechs wochen – ein traum. und genauso vergingen sie auch, kaum geträumt, schon vorbei. nach einem angenhmen heimflug sind wir alle wieder wohlbehalten hier gelandet, der alltag hat uns wieder, alle gewöhnen sich noch ein und der jet-lag steckt zumindest uns erwachsenen noch in den knochen.
wir haben uns gut erholt. haben wir uns gut erholt? wenn nicht, können wir es ja vielleicht im nächsten jahr noch einmal versuchen. gründe dafür gibt es sicher genug..
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