Ferien
normalerweise fühle ich mich schon erholt, wenn ich nur das wort höre. ob es in diesem jahr aber auch so werden würde - da hatte ich schon meine zweifel.
joshua hätte durch einen bevorstehenden schulwechsel die möglichkeit, ein "summer-camp" in amerika zu besuchen - wir hätten also die möglichkeit, wieder einmal sechs wochen in unserem geliebten florida zu verbringen. emanuel war sowieso kein problem (bei ihm waren weder kindergarten noch schule betroffen) - blieb also patrik.
nachdem der papi sich überlegt hatte, dass so eine "auszeit" mit nur einem seiner drei söhne ganz schön sein könnte und auch die andere grossmutter es reizvoll fand, nur einmal einen enkel um sich zu haben, fingen wir mit der planung an. schon früh. das musste ja sein, weil wir insgesamt doch sechs personen "verschieben" wollten. anna und ich würden mit joshua und emanuel zwei wochen früher reisen, damit joshua sein camp besuchen konnte, und dann würden philip und patrik nachkommen. philip würde dann allerdings nach drei wochen wieder nach hause gehen und wir beiden frauen würden mit allen drei kindern noch zwei wochen bleiben.
so lange ferien hatte ich seit jahren nicht mehr gehabt - und schon grad gar nicht mit kindern.
ich freute mich einerseits zwar sehr, aber andererseits war ich auch nicht ganz sicher, wie das ganze wohl ablaufen würde, denn anna hatte sich vorgenommen, mit joshua einen einwöchigen trip "quer durch florida" zu machen. er hatte hart für seine schule gearbeitet und verdiente eine belohnung, meinte sie - später kam ich aber darauf, dass sie sich an ihre kindheit erinnerte. an die reisen, die wir zusammen gemacht hatten, und ich hatte jedes verständnis dafür, dass sie so etwas mit ihrem ältesten auch erleben wollte.
ich sollte mit emanuel und patrik zurückbleiben - und für patrik wäre das auch kein problem gewesen, aber emanuel? er war das kind, das noch nie "auswärts" war und ich hatte so meine bedenken. zumal er mich auf dem hinflug zwar akzeptierte - (klar, er kannte mich ja), aber doch lieber so, dass ich ihm nicht zu nahe kam und im allgemeinen hörte ich nur "mami, mami".
als wir losflogen, konnte er uns (zweieinhalb jahre alt) schon seine wünsche mitteilen, aber "fliessend sprechen" konnte man das noch nicht nennen.
in florida angekommen, veränderte sich das ganze kind in null-komma-nix. als er den pool sah, bekam er fast eine krise. nein, da würde er nicht hineingehen - niemals. wir sahen uns ratlos an, und badeten halt ohne ihn. allzu lange hielt er das aber doch nicht aus. o.k., er würde schwimmring und schwimm-flügel anziehen, aber in's wasser - nein, das sei nicht seine sache. bis er merkte, dass es gar nicht so schlimm war, wenn er sich auf die treppe setzte, nasse füsse bekam und mit seinen spielsachen spielte. aus der ersten treppenstufe wurde die zweite, und plötzlich hatte es ihn gepackt. er traute sich ins wasser, aber natürlich nur, wenn man ihn mit händen und füssen fest hielt. wir atmeten auf, zumindet wurde das kind nass, und zwar nicht nur dann, wenn es regnete (um diese jahreszeit tat es das in florida täglich und man musste immer schauen, dass man rechtzeitig zu hause war).
er baute seine spielsachen in meinem schlafzimmer auf, weil das strategisch am günstigsten gelegen war, er konnte beim spielen alles überblicken - und mich störte das nicht. er wollte, natürlich, nicht alleine schlafen - aber in meinem bett (es war das grösste), nein, das wollte er auch nicht. "mit mami" musste sein. bis er einmal so müde war, dass er auf meinem bett versehentlich einschlief - und als er wieder aufwachte, stellte er fest, dass seine welt trotzdem noch in ordnung war. und nachdem ich mich bereit erklärt hatte, ihm immer vor dem einschlafen ausgiebig vorzulesen, ihm anschliessend den rücken zu massieren und während des schlafes seine hand zu halten, gewährte er mir die gunst, doch bei mir zu schlafen... und die arme mama konnte endlich einmal alleine in ihrem bett schlafen (theoretisch, dass dann immer einer von den "grossen" zu ihr kroch, wusste ich da noch nicht...). und wir waren auch zuversichtlich, dass emanuel mit patrik zusammen bei mir bleiben würde.
patrik kam mit seinem papi zwei wochen später an - und dahin ging unser friede. so sehr sich die "grossen" brüder aufeinander gefreut hatten, so schnell gingen sie wie die kampfhähne wieder aufeinander los.
hatten das meine kinder eigentlich auch gemacht? ich konnte mich nicht mehr erinnern, aber ich meinte, es sei friedlicher zu und her gegangen. vermutlich hatte die tatsache, dass ich sohn und tochter hatte, aber auch eine rolle gespielt - und zugegeben, das ganze ist schon ein paar jahre her. eine veränderte umwelt - und ein verändertes erinnerungsvermögen...
als der papi da war, fuhr die ganze familie ins disney-world und alle waren total begeistert. ist es wirklich schon so lange her, dass ich mit anna dort war? dass ihre augen bei der nächtlichen parade leuchteten und ich total k.o. auf dem randstein sass und schneewittchen und micky maus mir total egal waren?
vor allen dingen emanuel war hellauf begeistert (klar, die "grossen" kannten die tricks ja auch), weil er nun alle die gestalten, die er nur aus büchern kannte, persönlich sehen konnte. und ich war nicht unglücklich, dass ich ein paar tage ganz für mich alleine hatte...
und nachdem der papi wieder abreisen musste, machte sich anna mit joshua auf den weg. in diesen tagen sollte eine rakete starten und und nachdem sich joshua gerade für raumfahrt interessierte (und natürlich auch cape kennedy besuchen wollte), hätte er diesen start gerne gesehen. hat er dann auch - aber natürlich aus der ferne - in etwa so gut wie wir im fernsehen. dabei sein ist halt alles...
und emanuel fragte nicht einmal nach seiner mami - zu meiner grenzenlosen verblüffung (und zum totalen entsetzen seiner mutter). als das thema irgendwann einmal aufs tapet kam, erkundigte er sich zwar, wo sie sei, aber mit der auskunft, sie sei ein paar tage fort, war er zufrieden. er wollte zwar wissen "mit joshua"? und ich sah seinem köpfchen an, dass er kalkulierte, ob dieser nun einen vorteil dadurch habe - aber nachdem seine welt ja auch in ordnung war, war das für ihn o.k.
und das war dann die zeit, als ich ihn überreden konnte, doch auch in den pool zu kommen und mit zu schwimmen - und auch hinein zu springen. und er tat es! und war von dem moment an eine wasser-ratte, die kaum mehr aus dem wasser zu bringen war. während er anfangs noch meine hand als stütze brauchte, war das nach wenigen tagen auch schon nicht mehr nötig. er rannte und sprang ins wasser, dass wir uns nur so wunderten.
während er am ersten tag noch seine haare glatt gestrichen hatte, als sie nass geworden waren (iiihhh- wasser), geriet er nun beim reinspringen mit dem ganzen kopf unter wasser, tauchte wieder auf - und johlte vor freude.
auch seinen sprachschatz entwickelte er in dieser zeit enorm. während er am anfang noch einzelne worte gesagt hatte, war er nun plötzlich in der lage, ganze sätze zu bilden und seine gedanken-verbindungen erstaunten mich immer wieder. die meistgestellte frage war "wieso?" oder, abgewandelt, "wieso denn?" (nicht: "warum?")
als in einer buchhandlung andere kinder mit der dort ausgestellten eisenbahn spielen wollten, streckte er die hände gen himmel und klagte "wieso denn nur?" - und ich konnte ihm ja nicht gut sagen, dass ich diesen kindern dankbar war, denn sonst hätte ich ihn nie von dort weggebracht...
einzelne amerikanismen wie "ou.keiii" oder "ou.jeah" hatte er sehr schnell übernommen - und ich las sein "olivia-buch" mit ihm von vorne nach hinten und von hinten nach vorne.
und patrik, der immer leicht phlegmatisch ist, überraschte mich jeden morgen: wenn ich aufstand, war das frühstück fertig, dampfte der kaffee. tolle sache, nicht? als ich ihn fragte, warum er das denn nicht für mami machte, die es doch auch nötig hätte, antwortete er mir "er warte halt immer, ob es nicht der joshua mache..."
tja, liebe anna, da kannst du wohl lange auf dein frühstück warten!
und als anna und joshua wieder zurückkamen, waren auch unsere streithähne wieder vereint - und sehr glücklich darüber (wir weniger).
der strand reizte die drei zwar - aber das meerwasser war etwa 32 grad warm, nicht unbedingt eine abkühlung, und emanuel war ununterbrochen damit beschäftigt, die sandburgen, die wir bauten, wieder zu zerstören - bis wir es aufgaben. die sonne brannte auch unbarmherzig - tagsüber konnte man praktisch nicht an den strand gehen und auch ein besuch auf dem spielplatz musste auf den frühen abend verschoben werden. es war heiss. erfreulicherweise für uns, denn wenn wir hier geblieben wären, hätten wir ja offenbar gar keinen sommer gehabt.
ich habe in diesen wochen gelernt, die ohren manchmal zuzudrücken - und so manches mal habe ich auch innerlich geschmunzelt, wenn ich hörte, wie anna (hauptsächlich) mit joshua diskutierte. alles sätze, die ich schon einmal gehört (oder gesprochen) hatte... und manches mal kam es mir so vor, als seien die beiden geschwister und nicht mutter und sohn.
nun, als grossmutter sieht man ja so manches milder und mit gewisser weisheit - obwohl ich meinen enkeln sagen musste "seid froh, dass ich nicht eure mami bin - bei mir müsstet ihr mehr machen, und eure mami musste das auch" - aber das ist die sache von anna und philip, kindererziehung.
und wenn ich die drei so anschaue, dann ist ihnen das bis jetzt gar nicht so schlecht gelungen.
die drei sind so unterschiedlich - und noch nie ist mir das so aufgefallen wie in diesen ferien: joshua ist "das hirn", aber er hat seinen ganz eigenen kopf, den er auch gerne durchzusetzen versucht. er hat eigene, ganz korrekte modevorstellungen, einen ebenso korrekten haarschnitt, am liebsten "amerikanisch kurz" (was ihn dann auch zum besuch des "barbers" veranlasste). patrik ist "unser hip-hopper" (der nie freiwillig zum coiffeur gehen würde), dessen hosen nicht weit genug in den knien hängen können, dessen t-shirts lang und weit sein müssen (habe ich schon gesagt, dass ich darüber innerlich am meisten grinsen musste - er erinnerte mich doch sehr an mich selbst, und abgesehen davon haben wir auch die gleiche haarfarbe und frisur...) und der mit dem kopf immer in den wolken steckt. nicht immer zum vergnügen seiner eltern, - aber er hat nicht nur blonde haare, sondern auch ein blondes, sonniges gemüt und weiss damit sehr gut umzugehen. am gespanntesten bin ich natürlich auf emanuel, dessen persönlichkeit sich so langsam abzeichnet. und die ist nicht ohne. "ich auch" ist nach "wieso denn?" und "meins" sein lieblingssatz und er hat jetzt schon so viel charme und chuzpe, dass er uns alle (seine brüder inclusive, die nur manchmal entnervt stöhnen) leicht in die tasche steckt. da kommt was auf uns zu...
und was genau - ja, das möchte ich im nächsten jahre gerne weiter ergründen. wir haben uns also entschlossen, diese ferien im nächsten sommer zu wiederholen.
habe ich schon erwähnt, wie toll das ist (und wie kräfteraubend), sechs wochen mit drei kindern zu verbringen? ich selbst hatte das schon vergessen, und liebe junge mütter "hut ab" vor euren leistungen. auch, wenn ihr euch so vieles einfacher machen könntet...
hoffentlich wieder sechs wochen kann ich wenigstens einer von euch -nämlich anna- dann im nächsten jahr dabei helfen - und auch, wenn meine cousine nach meinen sechswöchigen ferien feststellte "du siehst erholungsbedüftig aus...": ich freue mich auf den nächsten sommer.
​
​