Grossmütter
sie meinen, mutter sein sei nicht einfach? recht haben sie! aber warten sie erst mal ab, bis sie grossmutter sind!!! nur – dass die probleme eben ganz anders sind.
meine grossmutter war, als ich sie "richtig" kennenlernte, 56 jahre alt und für mich eine "alte frau". das hätte mir mal jemand sagen sollen, als ich 56 wurde...! da hatte ich gerade das gefühl, ich könne noch einmal richtig durchstarten!
aber sie lebte in einer anderen welt. da trafen sich die familien an den geburtstagen und es ging dann mit grossmutters 4 brüdern und deren familien und grossvaters 11 geschwistern (zwei davon waren im krieg "geblieben") und deren familien hoch her. das hört sich irgendwie nach zusammenhalt an, nicht? und doch, wenn ich heute darüber nachdenke, war es wohl doch auch nur "social life", einfach anders als heute.
für uns kinder hatte eigentlich niemand zeit – irgendwie mussten wir schauen, wie wir gross wurden. zugegeben, wir wurden das in einer anderen welt als heute. unzufrieden waren wir nicht damit, wir kannten es ja nicht anders. und es hatte seine reize!
dass es da etwas anderes gibt, merken wir nun eigentlich deutlich erst jetzt – als grossmütter.
die zeit, als unsere eigenen kinder aufwuchsen, ist irgendwie so an uns vorbeigezogen. wir waren beschäftigt mit uns selbst, mit den heranwachsenden kindern und mit der sich verändernden umwelt, - bis wir dann, klick, aufwachten und merkten: oh, die kinder sind ja nun schon gross – und wir gehen mit riesenschritten dem alter entgegen (und dann erst noch jedes jahr schneller), das einst den grosseltern vorbehalten war.
als anna ihre ersten computer-versuche machte, hatte ich das gefühl "nettes spiel" und auf die idee, dass ich eines tages bedauern würde, mich nicht eher damit auseinander gesetzt zu haben, wäre ich niiiiie gekommen. nun bin ich allerdings technisch auch nicht sehr begabt.
manchmal überlege ich mir, wie das leben wohl für meine grossmutter gewesen sein muss, was sie alles erlebt und kennengelernt hat! über ross und wagen zum auto, zwei kriege lagen auch noch dazwischen, zum telefon, zum perfekten ausbau der eisenbahn, zu flugzeugen, zur raumfahrt, ja, zur bemannten raumfahrt und vieles, vieles mehr. ich erinnere mich gut an das verwunderte staunen und ihr lächeln, wenn meine grossmutter wieder einmal auf etwas stiess, das so unglaublich war. wahnsinn!
es muss wohl ähnlich gewesen sein, wie ich die heutigen segnungen der technik anschaue
(nur bin ich vielleicht durch die jahrelangen neuerungen schon etwas abgebrühter). annas neues telefon zum beispiel. boah, ist das toll, was man alles damit machen kann! meiner erkenntnis, dass das aber vermutlich nichts für mich ist, folgt sofort annas aussage "nee, für dich ist das nichts" – wahrscheinlich hat sie angst, ich rufe sie dann jede halbe stunde an und frage "wie geht..."? recht hat sie, und entsprechende erfahrungen ja auch schon beim "compi" gemacht. trotzdem; alles was blinkt, zieht mich magisch an.
und schliesslich, hej, ich habe ja schon sooo viel gelernt und ich finde es toll, mit der welt verbunden zu sein. nur, dass man halt immer wieder nachfragen muss, das gibt mir irgendwie komplexe. ich hatte schon meine mühe damit, zu akzeptieren, dass anna eines tages schlauer war als ich – und nun sind es meine enkelkinder schon bald? oder sind gar schon?
ich weiss, grossmütter sollten geschichten erzählen (dass sie socken stricken, erwarten die heutigen enkel nicht mehr – meistens, weil sie gar nicht wissen, dass man das überhaupt kann), kuchen backen (ach, patrik, da fällt mir ein, dass ich dir immer noch einen "kalten hund" schulde... er kommt, bestimmt, ganz bald!), mit den kindern spielen und in den zoo gehen.
aber was macht man, wenn man nicht so gepolt ist? die heutigen grossmütter stehen noch mitten im leben, und geschichten wollen unsere drei gar nicht hören – was mich dann regelmässig wieder frustriert. man kann mit ihnen ins kino gehen und ist so auf dem laufenden über kinderfilme – und da man ja angeblich mit dem alter kindischer wird, hat man wirklich auch spass daran. man kann mit ihnen "jassen", das heisst, eigentlich nur mit einem und die anderen müssen sich sonstwie beschäftigen. man kann mit ihnen, wenn man glück hat, ferien verbringen und sie dadurch ein bisschen besser kennenlernen. und sich dabei jeden tag auf neue wundern, wie sich die zeit doch verändert hat.
glauben sie mir: wir heutigen grossmütter, die zum grossen teil immer noch berufstätig sind und die sich auch noch für aktuelles interessieren, die immer noch über mode bescheid wissen und denen die letzten make-up-trends bekannt sind, die reisen für selbstverständlich halten und die sich durchaus einmal alleine in ein restaurant setzen und sich dort bewirten lassen – wir sind nicht so geworden, wie wir uns vorgestellt haben, dass wir einmal als grossmütter sein werden, - nach dem vorbild unserer eigenen grossmütter. jetzt müssen wir nur noch lernen, uns darüber zu freuen – und hoffen, dass unsere enkel das auch tun...