Idole
Erinnern Sie sich? Die Poster an Ihren Wänden, die ewig gleichen Songs, die sie gehört haben, das Tagträumen und die recht strapazierten Nerven Ihrer Eltern?
Tja, irgendwann holt einen das Leben ein und nun sitzen Sie wie ich vielleicht auf der anderen Seite....
Musikgenuss
Heute geht es mir nämlich so, dass ich einerseits dem ewig gleichen, monotonen Bäng-bäng, das aus meines Sohnes Zimmer dröhnt, am liebsten den Hahn zudrehen würde. Und andererseits weiss ich genau, dass Generationen vor mir dieses Problem auch schon hatten – und ich erinnere mich daran, was ich damals über meine Mutter gedacht habe, wenn sie mir ihre Meinung zu meiner Musik verraten hat. Und so uncool wie sie es damals war, will ich ja heute wirklich nicht sein. Nur – der mittlerweile recht primitive Wortschatz, der nun beim Star-Hip-Hoper eingesetzt hat, verlangt doch Handeln – schliesslich leben hier ja auch noch Kleinkinder, nicht wahr? Und ich kann Ihnen sagen, dass es ganz schön peinlich ist, wenn so ein kleiner Dreikäsehoch in der Spielgruppe mitteilt, „Schlampen“ seien irgendwie doof. Selbst, wenn er ja damit weit draussen recht haben könnte, aber lassen wir das.
Sohnemann wird also darüber informiert, dass man (als voll coole Mutter) den Musikgenuss nicht goutiert, jedoch zulässt, allerdings nur mit Kopfhörern. Und dass er sich doch bitte andere Vorbilder suchen möge als genau diese Typen und ihre Gefolgschaft. A propos Gefolgschaft: da hängt doch tatsächlich das Poster von Jas“mean“ im Zimmer meines Sohnes – ganz ehrlich, ich bemühe mich nun, diesen Raum zu meiden, weil mein Ego sonst einfach zu sehr leidet. Wer kann schon als gestandene Mutter gegen einen Teenager mit Topmassen, dessen Foto auch noch fachgerecht retuschiert worden ist, ankommen? Eben...
Oder doch lieber die sportliche Tour
Sohn Nummero uno, der ältere und vernünftige, hat gut zugehört – Mami will, dass man sich ein Vorbild sucht? Gerne doch, nur...wie findet man denn heutzutage ein Idol? Die meisten im Musikgeschäft sind schon wieder erloschene Flämmchen bevor man deren Namen überhaupt richtig schreiben kann. Gut, hat vielleicht auch mit den Schreibfähigkeiten unseres Nachwuchses zu tun. Wie auch immer, hier gibt’s keine echten Idole. Vielleicht eher in der Politik? Tja, da hätten wir die sieben Zwerge, die sich in Schneewittchens haus gegenseitig an die Gurgel gehen und nur selten einen einstimmigen Entscheid fällen. Oder dann aber in der Weltpolitik Herren, die sich junge Geliebte nehmen und diese dann sogar heiraten, immerhin. Oder aber Damen, bei denen nicht die Politik, sondern das Aussehen beurteilt werden. Oder dann aber, topaktuell zu den Wahlen 08, Frauen, die einfach jedes Klischee abdecken und Männer, deren Hautfarbe und Namen einen an alles erinnern, bloss nicht an das, was es repräsentieren soll. Also auch wenige Treffer. Die Wirtschaft bietet auch kaum Brauchbares – gerade jetzt, wo die ganze Wirtschaft zusammen zu brechen droht, kann man da nun wirklich keine Vorbilder finden. Bleibt also bloss noch...der Sport! Genau! Und gerade hier finden Schweizer Kinder doch wirklich ein absolut ideales, elterngerechtes Subjekt: unseren Rodscher! Nachdem mir mein Sohn seine Federer-Wahl erklärt hat, sass ich zuerst mal ganz zufrieden in meinem Sessel und schmökerte gemütlich. Bis er dann aber beschloss, ebenfalls Tennis spielen zu wollen. Und weil es doch so viel mehr Spass macht, bitte gemeinsam mit mir.
Herausforderung angenommen
Eine solche Herausforderung nehme ich doch als patente Mutter gerne an. Und so schleppen wir uns nun brav und regelmässig zum Unterricht, der einiges an Stresspotential ins ich birgt. Da wäre einmal der Herr Sohn, der den Sport unterschätzt hat und frustriert ist, weil er nicht richtig servieren kann oder aber ins Netz schiesst. Und dann haben wir noch die Mutter, die irgendwann einen Herzkasper bekommen wird, wenn sie absolut ungraziös versucht, den fes geschlagenen Ball doch noch zu erwischen.
Und zu guter letzt gibt’s dann noch den frech-grinsenden besten Ehemann der Welt, der friedlich Zeitung lesen zuhause auf beide wartet. Heute hat er mir bestätigt, dass Kinder schon Idole bräuchten. Nur findet er die Idee mit dem Sportler nicht mehr ganz so toll – er leidet ja doch mit mir mit, der Gute. Und so hat er lapidar gemeint, ich hätte meine Jungs halt eher mit anderen Möglichkeiten konfrontieren sollen. Mister Schweiz zum Beispiel. Denn der muss sich lediglich um den Weltfrieden und die optimale Präsentation der Drogerien und Apotheken kümmern – ein Klacks fürs Nacheifern, oder?
Heute sende ich unfreiwillig sportliche Grüsse
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Anna Schreiber
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