Mutter sein
Ich mache mir schon lange nichts mehr vor. Einfach ist es nicht, das Mutter sein.
Bereits im 17. Jahrhundert wurde bemerkt, bevor man Kinder habe, hätte man sechs Theorien über Kindererziehung. Danach habe man sechs Kinder aber keine Theorie mehr“. Seltsamerweise hat sich diese Erkenntnis vom 17. Jahrhundert nicht vollständig in meine Zeit überliefert. Mir zumindest war nur ersterer Teil bekannt.
Aber ich weiss mittlerweile, es müssen nicht zwangsläufig sechs Kinder sein um obige Weisheit zu erfahren. Vier tun’s auch.
Erstaunlich ist, dass diese Erfahrungen von einem Mann stammen, erlebt in einer Zeit, in der Werte zu Erziehung, Zucht und Ordnung noch klar definiert waren. Da hätten wir es also wieder mal. Früher war es nicht besser und Väter haben es auch nicht leichter. Irgendwie beruhigend.
Angeblich steckt im Mutter sein ein vielschichtiges Konzept der Natur. Klingt super und beruhigt ebenso. Ich kann also so gut wie gar nichts falsch machen, weiss immer was zu tun ist, ganz natürlich und instinktiv. Wenn ich mir nun aber überlege, dass all das als Natur bezeichnet wird, was nicht von Menschen Hand geschaffen wurde, werde ich doch leicht unsicher. Ja was denn nun?! Verflixt noch mal. Mutter sein, wie geht das?
Kein Problem, denke ich, bilde dich weiter Stella, wozu gibt es Bücher. Da kommt mir: „Mutter sein macht schlau – Kompetenz durch Kinder“ gerade richtig.
Jep, das will ich hören, liest sich saugut!
„Die überwältigende Erfahrung, ein Kind zu bekommen und es aufzuziehen“, steht da, „hinterlässt dauerhafte Spuren im Gehirn der Mutter.“
Ha!, und wie ist es mit den Spuren im Gesicht?, denke ich, will aber nicht zu pessimistisch sein und lese weiter:
„Vielfältige Sinneseindrücke schärfen die Wahrnehmungsfähigkeit, das tägliche Multitasking steigert die Effizienz. Die Motivation, unsere Kinder zu schützen, hilft Müttern, schnell, kreativ und selbstbewusst zu handeln kurz: Was Manager in teuren Seminaren üben, lernen Mütter im Umgang mit ihren Kindern.“
Ich bin tief beeindruckt! Ich will mehr. Aber ich, als Mutter mit Spuren im Gehirn und Gesicht, geschärften Sinnen sowie zu schützenden Kindern, habe ich weder Zeit noch Muse für ein Buch mit schlappen 317 Seiten. Sorry.
Dann vielleicht dann doch lieber etwas kürzeres wie:
„Schatz, wie war dein Tag auf dem Sofa? Hausfrau - die unterschätzte Familien-Managerin“.
Darin wird mir klar gemacht, dass ich mich als „nur“ Hausfrau nicht schämen muss, schliesslich würde ich ein kleines Familienunternehmen führen.
Wow, macht ein gutes Gefühl, obwohl ich mich eigentlich dessen noch nie geschämt habe. Aber egal.
Denn weiter lese ich, wir seien gleichzeitig Psychologin, Pädagogin, Motivationstrainerin, Coach, Ernährungsexpertin und immer zur Stelle.
Huch, sonst noch was? Langsam komme ich ins grübeln, bin leicht irritiert.
Und da es fällt mir ein!
Ich bin ja gar nicht „nur Hausfrau!. Womöglich steht in dem Buch auch, dass ich es aber meinen Kindern zu liebe besser sein sollte?“. Nein, bitte jetzt kein schlechtes Gewissen, schnell zurück ins Bücherregal.
Das ging ja gerade noch mal gut. Nur jetzt keinen Fehler mehr. Wie wär’s weiter mit dem positiv stimmenden Titel:
„Die tun nichts, die wollen nur spiele? Warum Frauen die Arbeit und Männer ihren Spass haben.“
Interessiert aber nun doch vorsichtig lese auf dem Umschlag: «Während ich den ganzen Tag wie eine gesengte Sau durch die Gegend rase, permanent ein schlechtes Gewissen habe, mein Kind auf später vertröste, niemanden jemals zurückrufe, keinen Sport treibe, kaum noch koche - während ich am Rande des Kollaps herumtobe, macht es sich mein Mann so richtig gemütlich. In solchen Momenten könnte ich ausrasten. Kennst du das Gefühl?»
Ja! denke ich ganz spontan. Da ich aber keinen Erfahrungsaustausch sondern echte Hilfe zur Weiterbildung suche, lege ich auch dieses Buch wieder zurück. Schade.
So komme ich noch immer ziemlich ratlos mit der Fragen nach Hause; Mutter sein – Welchen Standpunkt vertrete ich? Ich bin nicht „nur Hausfrau“, und genau so wenig bin ich eine „Karrierefrau“. Neue Mütter braucht das Land. Nur, welche genau?
Zu guter letzt frage ich meine Kinder, „Wie und was ist eine gute Mutter?“. Sie antworten mir nicht mit Psychologin, Phädagogin oder Coach. Sie wollen auch keine „nur Hausfrau-Mutter“.Sie meinen, lieb und gut müsse sie sein, die Mutter. Ganz einfach, nur lieb und gut.
„Wie? Ist das alles?! Lieb und Gut?!“
„Klar Mam, so wollen wir Dich“, meint Clara süss lächelnd.
Nun denn. Spontan entschliesse ich mich, nochmals in den Buchladen zurück zu gehen. Ich habe da ein Buch gesehen, das scheint mir nun ein guter Einstieg zu sein. Das ist es, beherzt greife ich zu und lese den Titel:
„Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche“.
Ihre
Stella van Bergen
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