Startschwierigkeiten
Sie haben sich das Ganze überlegt, sind sich sicher, dass „er“ der richtige sind und „jetzt“ der richtige Zeitpunkt? Na dann, nichts wie los: das Projekt „Nachwuchs“ kann in Angriff genommen werden.
Falls sich der Erfolg nicht ganz so schnell einstellt, bitte nicht verzweifeln. Ich erzähle jetzt nicht das übliche „Du musst Dir Zeit lassen, darfst Dich nicht unter Druck stellen, musst das Ganze locker sehen“.... Das habe ich auch ziemlich oft gehört und jedes Mal gedacht, dass der Sprecher dieser Worte keine Ahnung hat! Meine Hirnzellen haben stets so funktioniert, dass ich wenn ich entschlossen hatte, was ich wollte, geradewegs auf dieses Ziel zugesteuert habe. Umwege waren Enttäuschungen und wurden auch als solche wahrgenommen und nur schwer akzeptiert. Wenn ich von hier aus nach Zürich fahre, begegnen mir ja auch zahlreiche Umleitungen und Baustellen. Wenn ich mich über diese ärgere, hat jedermann Verständnis – weshalb also nicht dann, wenn ich beim Kinderwunsch nicht schneller an mein Ziel komme?
Egal, bei mir hat’s dann doch funktioniert: ich habe mir einen neuen Job gesucht, eine Ausbildung begonnen, Ferienpläne geschmiedet...und schwupps war ich schwanger!
Das Wechselbad der Gefühle hat sich auch bei uns eingestellt, die Angst, falsch entschieden zu haben ist der Freude, endlich eine „richtige“ Familie zu sein, gewichen.
Und dann war der grosse Tag da! Die Geburt war....lassen wir das. Joshua lag auf jeden Fall ganz plötzlich in meinen Armen und ich war vollkommen benebelt vor Glück. Dieser kleine Knirps sollte also nun auch Teil meines Lebens sein....
Niemand hat uns aber gesagt, dass ein sooo kleiner Mensch schon soooo grosser Teil eines Lebens werden kann! Die Tage waren fortan ausgefüllt mit Baby. Der Haushalt blieb liegen, die tägliche Dusche wurde leider zum lange nicht mehr täglichen Luxus. Joshua schrie. Er schrie den ganzen lieben langen Tag. Jedes Mal wenn wir ihn übermüdet und verzweifelt zu einem Arzt oder ins Spital gebracht haben, hat man uns gesagt, er seie ein Kolliken-Baby und das ginge nach 3 Monaten vorüber. Die Gespräche zwischen mir und meinem Mann drehten sich nur noch um das Schreiben des Babies oder der Frage, wer von uns beiden wohl müder sei. Wenn wir überhaupt noch die Kraft hatten, ein Gespräch zu führen. In unserem Umfeld fragte uns längst niemand mehr, wie es uns ging – man sah es uns ganz einfach an. Mit tiefen Ringen unter den Augen standen wir vor einem Spiegel, schauten hinein und fragten uns, wer das wohl sei. Wir kämpften an gegen unsere eigene Müdigkeit und versuchten alles, um den Kleinen zu beruhigen.
Während mein Mann mitten in der Nacht mit dem Baby spazieren ging (das Wagenschaukeln beruhigte ihn und es ein wenig), versuchte ich, etwas Schlaf zu ergattern. Und während mein Mann sich über den technischen Rückstand unserer uralten Milchpumpe ausliess, liebte ich dieses Ding heiss und innig. Denn diese Milchpumpe ächzte und schüttelte in Funktion beängstigend – was dazu führte, dass Joshua, wenn man ihn daneben legte, friedlich einschlief. Dank dieser Hilfe und der Unterstützung unserer Eltern, die auch schon mal mitten in der Nacht von uns besucht wurden, um uns zu helfen, haben wir die 3 Monate überlebt. Und uns nach genau 3 Monaten und einem Tag darüber gewundert, wie still es doch plötzlich bei uns geworden ist. Ab dann haben wir uns „nur noch“ mit den täglichen Herausforderungen, ohne Erfahrung oder Wissen ein Baby gross zu ziehen, beschäftigt. Und dazu werden Sie im Verlauf der zukünftigen Kolumnen bestimmt noch so einiges lesen können.
Wundern Sie sich nicht, wenn Sie in diesen Zeilen nur wenig zum Schmunzeln gefunden haben – der Start mit einem Kind ist in den seltensten Fällen wirklich unterhaltsam. Die Freude, die sich dabei einstellt, hält sich die Waage mit der Angst und Unsicherheit. Nur dass man oft die Sicht ein wenig verliert und keine Ausgeglichenheit mehr sieht – dazu braucht man erst den nötigen Abstand. Und dann, irgendwann einmal, erkennt man wieder die schönen Momente, die witzigen Begebenheiten und das grosse Glück, das man empfunden hat. Wenn also auch in dieser kurzen Schilderung der Humor ein wenig verloren gegangen ist; seien Sie versichert, dass das Lachen sich schon bald wieder einstellt.
Ihre Anna Schreiber