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Ver...


Damit, dass ich mit jeder Geburt noch vergesslicher geworden bin, kann ich ja leben. Auch, dass ich dauernd irgend etwas verlege und nicht mehr finde, erschüttert mich nicht mehr wirklich.

Und in Verlegenheit bringen mich meine Jungs mit ihrem Wortschatz so oft, dass ich das auch nicht mehr sehr ernst nehme.


Aber dass ich nun neuerdings versehentlich die Orientierung verliere, das ist neu. Man könnte ja meinen, der gesunde Menschenverstand würde da helfen, aber nein! Verloren wandere ich ab und zu durch die Strassen der nächsten Grossstadt und versuche, den rechten Weg zu finden. Zu meinen Verabredungen komme ich meist verspätet, aber nicht aus böser Absicht. Der Verachtung, die mich dann trifft, begegne ich eiskalt – schliesslich hätte ich mich ja in meinem Dorf, wo ich mich prima zurecht finde, verabredet. Statt dessen irre ich unterstützt von meinem veralteten Navisystem durch die Strassen und fühle mich zunehmend gestresst, weil ich genau weiss, welch vernichtender Blick mich von meiner Freundin treffen wird, nachdem sie bereits recht lange auf mich warten musste. Ich weiss ja auch nicht wirklich, was genau sie veranlasst hat, mit mir zu dieser Veranstaltung gehen zu wollen. Und wer die Verantwortung dafür trägt, dass diese mitten in einer grossen Stadt stattfinden muss, im verborgensten Winkel. Wenn ich mich dann aber auf der Suche total verausgabt habe und endlich in Verbindung zu meiner Freundin trete, dann ist der Abend doch noch nicht ganz verbockt. Gemeinsam versuchen wir, der Veranstaltung zu folgen – langsam kommt aber der Verdacht auf, dass wir hier von verbitterten oder verblödeten Rednern verdreht werden sollen. In tiefer Freundschaft und Erkenntnis verbunden machen wir uns also schnellst möglich davon und versuchen, dem Abend doch noch eine weniger verdriessliche Wendung zu geben. Wir setzen uns über allfällige Verkehrsverbote hinweg, um so schnell wie möglich gemeinsam die gerade gehörten Verdrehungen in Vergessenheit geraten zu lassen und in die nächste vergnügliche Kneipe zu kommen.


Bevor wir verdursten ordern wir und vertreten dann unsere verschiedenen Meinungen zu idealen Treffpunkten und Vergnügen. Alles in allem wird's ja ein recht versöhnlicher Abend und wir vergessen schnell wieder den Inhalt der gerade besuchten Versammlung. Viel mehr tratschen wir vollkommen unvernünftig über Gott und die Welt und vergessen dabei vollkommen die Zeit. Und als wir endlich merken, wie spät es ist – ja, Sie vermuten richtig – verschlucken wir den Rest der noch ungesagten Worte und machen uns eilig auf nach Hause. Ich natürlich nicht, ohne mich erneut total zu verirren, war ja klar.

Verzeihen Sie, wenn ich Sie allenfalls mit meinem „Ver"-Text ein wenig verunsichert oder verwirrt haben sollte, aber ich kann Ihnen versichern, dass Sie Ihre Zeit nicht wirklich verschwendet haben – oder haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie viel „ver" in Ihrem Leben Platz hat?


Ich verspreche Ihnen, dass sie mein Lächeln verstehen, wenn Sie es herauszufinden versuchen, vertrauen Sie mir!


Vergnügte Grüsse

Ihre Anna Schreiber, verwundert

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