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Hundstage


Unsere Familie besteht nicht nur aus Mutter, Vater und 3 Kindern. Vielmehr gehört bei uns auch ein Hund dazu, ein Irish Soft Coated Wheaten Terrier, um genau zu sein.

Aber lassen Sie sich nicht von dem vornehmen Namen täuschen – weder der Irische Kampfgeist noch die Softness, sprich der Kuschelwahn, geben dem Tier die Ehre. Immerhin ist der Hund weizenfarbig und definitiv ein Terrier, was seine Freude am buddeln erklärt, aber das war’s dann auch schon.


Den Hund, Havva genannt, haben wir nach reiflicher Überlegung und kritischem Überprüfen aller möglichen Rassenmerkmale gekauft. Die Sozialkompetenz unserer Kinder sollte durch ihn steigen und Mami hätte dann noch gleich den tollen Nebeneffekt, dass sie ausreichend Bewegung bekommt. Ausserdem ist so ein Hund ja eine tolle Sache, beschützt er doch Heim und Besitzer, nicht wahr?


Soviel also zur Theorie.


In der Praxis aber sieht es so aus, dass mein Hund sich rasch versteckt, wenn jemand Fremder auf ihn zukommt. Ich bin schon mehrfach beinahe umgefallen, weil mein Hund sich zwischen meinen Beinen versteckt hat und ich beinahe über ihn gelstolpert wäre. Dafür denkt er aber nicht ans Verstecken, wenn es darum geht, dass jemand Fremder unser Haus betritt. Hier eilt er ihm vielmehr freudig mit dem Schwanz wedelnd entgegen – ganz ohne zu wissen, ob diese Person überhaupt Zutrittsberechtigung zu unserem Haus hat oder nicht.

Die Sozialkompetenz der Kinder hat nicht wirklich von unserem Weggefährten profitiert. Endlos scheinende Diskussionen darüber, wer wann und wie lange mit dem Hund draussen war, sind an der Tagesordnung. Mit dem Resultat, dass Mami dann meist entnervt aufgibt und selbst geht. Wäre ja auch kein Problem, denn die erwartete Zusatzbewegung täte ihr schon gut – wäre da nicht unser Kleinster.


Dieser nämlich möchte Mami dann stets begleiten. Wer nun das Idyll eines gemeinsamen Spazierganges vor Augen hat, der irrt gewaltig: statt zügig vorwärts zu schreiten und den Hund mal hier und mal da schnüffeln zu lassen, zieht die Schneckenkarawane nun los. Nach 10 Metern beschwert sich der jüngste Spross zum ersten Mal über die weite, weite Strecke, die er nun zurücklegen wird. Weitere 10 Meter später fällt ihm ein, dass er eigentlich noch zur Toilette müsste. Und draussen, da macht man das wirklich nicht, Mamiiiiiii! Also zurück das ganze, zur Toilette, und dann wieder von vorne. Der Hund wirkt bereits ein wenig genervt.


Egal, die ersten 30 Meter schaffen wir nun in einem Anlauf, toll. Dann aber heisst das Kommando «Stop!» weil da eine Schnecke kriecht. Ach, wie fühle ich mich dieser in diesem Moment seelenverwandt! Der Hund übrigens auch…


Nachdem wir die Schnecke gebührend bewundert haben, geht es weiter. Schon stellt der Hund den Schweif und schnuppert in die Luft. Was Söhnchen dazu animiert, festzustellen, dass er nun eine Pause braucht. Während er nun auf dem Boden sitzt, fällt ihm ein, dass er jetzt, gerade jetzt, einen Riiiiiiesendurst hat. Und dass er ohne Getränk kaum weiter gehen kann. Dem Hund sinken die Ohren, der Mutter vergeht die Freude am Spaziergang. Nach einigen Überredungskünsten haben sich Mutter und Sohn nun doch geeinigt: Söhnchen bleibt hier sitzen und wartet, während Mami nur huschhusch schnell bis zum nächsten Baum läuft. Auf dieser kurzen Strecke bleibt sie ihm im Sichtfeld und der Hund hat immerhin die Chance, ein paar Meter zu laufen und ein wenig zu schnüffeln.


Gesagt – getan. Zielstrebig steuere ich den Baum an während der Hund freudig neben mir läuft. Als ich beim Baum aber stehen bleibe und zurück in Richtung Nachwuchs blicke, sieht er mich fragend an. Das war’s dann wohl? Schon kreischt der Kleine, weil eine Fliege, man stelle sich vor, um ihn herumschwirrt. Nur Mami kann in einer solchen Situation noch helfen, indem sie sich ins Super-Mami Kostüm wirft und zu Hilfe fliegt. Ich sause also zurück zu Emanuel und verscheuche die Fliege, die ich eigentlich gar nicht mehr sehe. Egal. Der Hund trottet mit hängenden Ohren hinter mir her, als wollte er sagen, schon wieder? Irgendwie kommt das arme Tier einfach zu kurz, weil ich mich nicht teilen kann.


Meinem Sohnemann ist das so ziemlich egal, er will nun nach Hause und endlich etwas trinken. Mein Hund wirft mir einen vernichtenden Blick entgegen und ich habe ein entsprechend schlechtes Gewissen.


So sehr ich die Spaziergänge mit Emanuel, bei denen er Steinchen und Tierchen oder Blümchen entdeckt, schätze – so sehr würde ich es auch schätzen, wieder einmal zügig ein Stündchen mit Havva laufen zu gehen.


Aber das zufriedene Lächeln von Emanuel, der gerade meint, das sei doch ein toller Spaziergang gewesen, vertreibt meine Gewissensbisse – wenn auch nur bis zum nächsten Spaziergang, seufz.


Ihre Anna Schreiber

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