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Kultur auf amerikanisch


Die Amis sind oberflächlich, ungebildet und kulturlos. Zumindest sind das die Attribute, die man ihnen bei uns gerne zuspricht. Damit ich mich aber nicht von irgendwelchen Vorurteilen blenden lasse, bin ich der Sache auf den Grund gegangen.


Kurzerhand bin ich mit Sack und Pack oder vielmehr mit Säcken und Paketen, schliesslich will eine Reise mit 3 Kindern gut geplant sein, Richtung USA losgezogen. Die Reise selbst war ganz ok, immerhin konnten sich die Kinder stundenlang mit irgendwelchen Videospielen der Bordunterhaltung die Zeit vertreiben – und ausnahmsweise haben Mami und Papi da noch nicht einmal geschimpft. Bei der Einreise mussten wir uns dann dem gestrengen Blick des Immigration officers stellen, der alles andere als „locker vom Hocker" wirkte. Tief durchatmend betraten wir dann das Land der Verheissung und warfen damit gleich auch jedes Schuldgefühl (ja, wir hatten noch Sandwiches im Gepäck, die wir nicht angegeben haben...) über Bord.


Easy, easy...

Die Adaption an das Verhalten der Einheimischen fiel nicht wirklich schwer. Wo auch immer wir hingingen, wir wurden mit einem Lächeln und meist ein paar freundlichen Worten begrüsst. Mit viel Verständnis hat man unsere Fragen beantwortet und sich nicht einmal über unsere manchmal ein wenig komplizierte Art gewundert. Nach einigen Tagen stellten wir uns automatisch in jede wartende Schlange, weil wir gelernt hatten, dass dies einfach üblich ist. Wenn man einmal begriffen hat, wie der Hase läuft, nutzt man die Wartezeit auch gleich für ein nettes Gespräch über Gott und die Welt. Niemand regt sich hier auf über kleine Verzögerungen oder jemanden, der sich nicht 100%ig an alle Regeln hält. Kein genervtes Hupen auf den Strassen, kein überflüssiges Gefluche, wenn ein Rentner unsicher im Weg herumsteht.


Neben dem fast food, der ja auch bei uns immer mehr Einzug hält, trafen wir hier auf das slow living. Kein Gehetze, niemand wirkt abgekämpft. Selbst nörgelnde Kinder werden relativ gelassen ruhig gestellt. Die Gezeiten gaben den Takt an und in bester Ferienlaune haben wir uns diesem sehr gerne angepasst. Die Tage flossen dahin und wir haben das Wesen unseres Gastlandes immer besser kennen gelernt. Ganz ehrlich: das take it easy hier hat uns sehr gut gefallen. Und wenn dieses von uns mit dem Attribut „oberflächlich" belegt wird, dann ist dies wohl ein Irrtum. Es ist wohl eher so, dass nicht immer in allem der tiefe Grund gesucht werden müsste und wir damit ab und zu ein wenig überfordert zu sein scheinen.


Kultur – cool Tour

Und wenn es um die Ungebildetheit der Amis geht, dann ist es vielleicht einfach so, dass diese andere Gebiete des Wissens für relevanter halten. Vielleicht sind deren Geografie- und Geschichtskenntnisse nicht ganz so fundiert wie unsere (obwohl...meine sind es eigentlich ja auch nicht wirklich...) – dafür lernen die Kids in der Schule Autofahren und Schminken (nur die Mädchen natürlich). Beides ja eigentlich Fächer, die auch zu einer Grundausbildung gehören sollten, oder nicht?


In den paar Wochen unserer Reise haben wir Erwachsenen es ganz einfach genossen, eine ruhigere Kugel zu schieben und viele kurze Bekanntschaften zu machen. Und unsere Kinder, die auch stets irgendwo im Gespräch (manchmal mit Händen und Füssen waren), haben es ganz simpel auf den Punkt gebracht. Die fanden nämlich, dass die Amis einfach super sind und ihre Offenheit und ihr Verständnis sehr angenehm sind. Die abschliessende Bemerkung meiner Jungs zur allgemeinen Beurteilung der amerikanischen Lebensart war so simpel wie wahr: sie hielten unsere Reise in dieses Land für „voll ‚ne coole Tour".

In diesem Sinne freue ich mich darüber, die amerikanische Kultur gefunden zu haben und weitere Vorurteile abbauen zu können.


Ihre Anna Schreiber

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