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Miss Robinson

Autorenbild: muettermuetter

Jede Mutter träumt wohl ab und zu davon, auf einer einsamen Insel zu stranden und einfach mal ein paar Tage frei von jeglichen Verpflichtungen und Verantwortungen zu sein – herrlich, nicht wahr?

Ich gehöre definitiv auch zu den Frauen, denen manchmal einfach alles ein wenig zu viel wird und die sehr gerne eine Auszeit hätten um sich wieder zu regenerieren. Weil das aber im realen Leben kaum möglich ist, bleibt bloss die Flucht nach vorne in die Traumwelt:

In meinem Traum sitze ich zufrieden unter einer Palme und lasse meinen Blick übers blaue Meer schweifen. Die Sonne strahlt mit mir um die Wette und irgendwie ist es auch gelungen, dass ich auch trotz einsamer Insel sämtlichen Komfort geboten bekomme. Vom Kaltgetränk bis zur Klimaanlage in meiner einfachen, aber dennoch gut ausgerüsteten Hütte, alles ist da. Sogar ein Liegestuhl und jede Menge Bücher stehen bereit – meinem Faulenzen steht also nichts im Weg. Nach einigen Tagen ist es aber tatsächlich so, dass ich mir etwas Gesellschaft wünsche – genau so hat es damals wohl Robinson empfunden. Während er damals dann seinen „Freitag“ bekam, driftet mein Traum nun leider etwas ab. Statt einem „Freitag“ bekomme ich einen „Sonntag“, der genau so aussieht wie jedes meiner Kinder. Und, Sie erraten es bestimmt schon, „Sonntag“ tut nichts, denn am Sonntag soll man ja bekanntlich ruhen.


Vorbei ist es also schon wieder mit meiner Ruhe und zurück ist das allgegenwärtige „wo ist?“ , „hast du?“ , „kannst Du?“. Sonntag wird’s nicht langweilig, mich zu fordern. Und weil in meinem Traum leider keine Gameboys oder elektronische Spielkonsolen geschweige denn ein Fernsehgerät vorkommen, findet es Sonntag hier voll langweilig. Er wünscht nun Unterhaltung und ich - mein Gott, wie blöde kann man wohl sein?- biete ihm diese auch noch. Ich animiere ich zum Wellenhüpfen, sammle Kokosnüsse fürs Strandbowling, erkunde mit ihm die Insel, sammle Nahrungsmittel und bereite ihm ein Festmahl zu. Ich setze alles daran, dass Sonntag sich wohl fühlt – aber Sonntag will immer mehr. Jeden Abend bin ich kaputt von den Tagesaktivitäten und jede Nacht schlafe ich schlecht, weil ich bereits wieder am Überlegen bin, was ich Sonntag am nächsten Tag wohl bieten kann. Dieser wiederum erwacht jeden Morgen ausgeruht und voller Tatendrang und sieht gespannt meinen Plänen für den Tag entgegen. An Kritik jedoch spart er nicht und so stehe ich konstant unter Druck.

Die Kaltgetränke gehen aus und ich finde in meinem Traum keinen Inselsupermarkt, der neue Ware liefern kann. Meine Bücher sind irgendwohin verschwunden. Liegestuhl wie auch Hängematte sind leider defekt, weil Sonntag darauf gespielt hatte und wohl ein wenig zu wild war. Selbst die Sonne versteckt sich verängstigt hinter aufziehenden Wolken. Ein Sturm zieht auf, die Windgeschwindigkeit nimmt zu und ich friere plötzlich, als es die Hütte über meinem Kopf wegwindet...


…schweissgebadet wache ich auf. Zum Glück war’s nur ein Traum und ich bin sicher in meinen vier Wänden, lediglich die Decke habe ich wohl herunter gestrampelt. So wach wie ich jetzt bin, ist an Schlaf oder gar Träumen nicht mehr zu denken. Dabei hatte doch alles so schön begonnen, seufz. Die Realität aber hat wohl den Weg in meine Traumwelt gefunden.

Aber wissen Sie was? Wenn ich mich das nächste Mal auf meine Insel träume, dann will ich definitiv keine Gesellschaft! „Sonntage“ habe ich nämlich in meinem realen Leben schon genug und manchmal, ganz selten nur, habe auch in ein Anrecht darauf, verpflichtungslos zu sein – selbst wenn das alles nur im Traum ist!


Träumerische Grüsse,

Ihre Anna Schreiber

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