Liebe LeserInnen,
was bin ich froh, dass bald wieder Frühling wird! Je älter ich werde, desto weniger kann ich dieser nassen und kalten Jahreszeit abgewinnen. Ich geb’ dem Winter vielleicht noch 2, max. 3 Wochen, dann will ich nichts mehr davon sehen. Nur die Vernunft und meine Erfahrung halten mich davon ab, alle Skianzüge, Daunenjacken, Hand- und Winterschuhe jetzt schon in den Keller zu werfen. Jetzt braucht es einfach Geduld.
Prinzip Hoffnung
Ich will Frühling, Veränderung, Leben, Sonnenstrahlen und ganz viel Wärme. Meine Schwester reist mit ihrem Freund dafür eigens nach Thailand. Soweit will und kann ich im wahrsten Sinne des Wortes nicht gehen. Aber in unserem Garten wachsen zwei Schneeglöcklein, das reicht mir im Moment. Schliesslich bin ich als Mutter gewohnt, auch dem zartesten Pflänzchen etwas abzugewinnen. Prinzip Hoffnung. Sie wissen, was ich meine? Ich bin beim Anblick dieser zarten Frühlingsboten, inmitten von Schneematsch und Eis, niedergekniet und habe fast geweint. Erkennen Sie nun das Mass meiner Verzweiflung? Meine Kinder standen leicht betreten daneben, haben verlegen gekichert oder entnervt mit den Augen gerollt. «Mam, lass’ gut sein, denk’ an die Nachbarn...»
Als eine Single noch Musik war
Werde ich langsam schrullig? Mein Alltag ist vollgepackt mit Arbeit und Terminen, die Zeit rast an mir vorbei und ich bin froh, dass ich halbwegs mit ihr Schritt halten kann. Ich kannte Hanna Montanna bis heute nicht und weiss erst seit gestern, wie man Music downloaded. Warum sagt mir keiner, dass kaum mehr einer CD’s kauft!? Zu meiner Zeit kam die Musik noch ab Singles und keiner dachte dabei an Speeddating. Aber wahrscheinlich werde ich mit diesen Geschichten erst wieder meine Grosskinder beeindrucken können. Wir Mütter müssen eben warten. Wenn wir das richtig gut können, ist das Leben ein einziges Kinderspiel. Hätte ich bspw. damit gewartet, meinen achselgepolsterten Blazer Ende der 80er zu entsorgen, hätte ich jetzt damit ein richtig cooles Stück im Schrank.
Wenn nachher schlimmer ist als vorher
Aber ohne diesen Blazer, bin ich nun auch modisch absolut nicht «on time». Entweder werfe ich zu früh weg oder kaufe zu spät ein. Bloss zeitgemäss bin ich nie. Aber ein Vorteil meines Alters ist ja, dass ich nicht jeden Trend mitmachen muss. So! Aber mich Vorher-Nachher mal stylsicher verwandeln lassen, fände ich toll. Wissen Sie, eine Geschichte, in der ich mich vorher in Jeans, Turnschuhen und Schlapper-Mutti-Pulli total unvorteilhaft ablichten lasse, um nachher in neuem Glanze zu erstrahlen. Chic wie sonst was, einfach kaum wieder zu erkennen. Ja, DASS wär’ mal was. Schon toll, was diese Styling-Profis aus einigen Typen rausholen können. Leider ist manchmal nachher schlimmer als vorher. Schade. Da hat man einmal diese Chance und dann passiert so was dummes!
Prada ist gut für LEGO
Und überhaupt, was würde mir langfristig so eine Veränderung bringen? Eine Handtasche von Gucci für 1500 sFr, die Hosen von Prada für 800 und die Bluse NO’NAME (ein Schnäppchen) für 500 sFr. Wozu? Um dann da zu stehen wie eine, zwar gutaussehende, aber ansonsten desperate housewives? Würde ich so aufgestylt nach Hause kommen, würden meine Kinder mich erst nicht erkennen, deswegen lauthals brüllen um dann ihre verheulte Nasen an meiner Bluse abzuwischen. Der Spott meiner Ältesten wäre mir sicher. Mein Sohn würde fragen, ob ich «auch so» mit ihm auf dem Boden LEGO spielen könne. Klar Dany, und in der XXL-Gucci-Tasche bewahren wir ab sofort alle deine Star-Wars-Teile auf.
Erst motzen, dann schmusen
Mir reicht mein bisschen Frühling aus um glücklich zu sein. Es ist wunderbar zu sehen, wie meine Kinder zu verantwortungsvollen Erwachsenen heranwachsen. Da haben wir es wieder, das Prinzip Hoffnung. Klar, als Mutter von Teenager-Töchtern hat man’s zwar oft nicht leicht. Aber ich kann gut damit leben, lasse mich mal anmotzen, mal abknutschen, mal ankeifen und mal abschmusen. Ich motze, keife, schmuse oder knutsche halt einfach zurück. Zum Schluss merken wir immer, dass wir aus dem selben Holz geschnitzt sind. Heranwachsende brauchen nun mal Identifikationsfiguren, sei es nur um zu merken, dass sie nie so werden wollen wie die eigene Mutter. Aber bitte, wer will das schon mit 14? Dass sie mir vielleicht trotzdem mal ähnlich sein werden, brauche ich ihnen ja nicht zu erzählen. Ausserdem fände ICH das gar nicht so schlimm. Weder vorher noch nachher!
Herzlich,
Ihre Stella van Bergen
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